Heute weckte mich das Klopfen der Regentropfen auf den
„Wintergarten“ unseres Apartamentos in Santa Cruz de La Palma - und die pfeifenden Windböen. Ich stehe immer
so um 7.30 Uhr auf, brühe mir eine grosse Portion Cafecito (mit meinem
Benzinkocher, wenn wir am Zelten sind) und mache mal eine knappe Stunde Yoga,
die Taza grande neben mir. Weil es regnet, lege ich mich zum Yoga halt drinnen
neben den Tisch. Schöner wär’s natürlich draussen im kleinen Garten, oder am
Strand, aber das Wetter ist nicht danach. Ich mache so meine 7 Yoga-Übungen mit
Variationen – die 7 Salzmänner sozusagen – zum Erhalt meiner Beweglichkeit und
Kraft, Ich weiss, es ist ein täglicher Pyrrhussieg, irgendwann werde ich
verlieren und steif und starr werden. Aber mich dünkt, ich profitiere den
ganzen Tag von einem guten Körpergefühl. Ich mach’s nur für das Hier und Jetzt.
Ich denke dabei auch an den kommenden Tag und was wichtig ist an diesem Tag,
z.B. mich nicht wichtig zu nehmen, oder nehme mir vor, die Fülle des kommenden
Tages zu schätzen, auch wenn der Tag nicht nach meinen Vorstellungen verläuft,
und dass mein Tagesprogramm nicht wichtig ist und ich mich dem stelle, was auf
mich zukommen wird. Also, diese Stunde der Stille gibt mir auch so etwas wie
psychische und gedankliche Beweglichkeit.
Gegen 8.30 ist auch Margarita auf den Beinen, die meist
etwas länger schläft oder im Bett noch liest.
Dann frühstücken wir und besprechen den Tag. Heute wollten
wir eigentlich einen Strandtag verbringen, aber bei Regen und Wind? Wir sind
längst nicht jeden Tag auf den Velos. Am gemächlichsten ist es, 4-6 Stunden zu
radeln bis zu einem schönen Ort und dort dann 2-3 mal zu übernachten, im Zelt
oder in einem Apartamento. Wir merkten, wenn wir täglich weiterziehen, dass wir
gar nicht mehr wissen, wo wir überall waren, oder wir verwechselten alles.
Nach dem Frühstück mache mich auf die Suche für neue
Bremsklötze für’s Bicicleta von Margerita und werde fündig. Zwar sind es nicht
die richtigen Ersatzteile, aber der Besitzer des Veloladens feilt daran herum
bis sie passen. Dann noch nen kurzen Dialogo, was ich hier mache, woher ich
komme, das Velo wird gerühmt, ich rühme die Velos seines Ladens, que bonito!
etc. Die Leute sind alle sehr freundlich hier auf den Canarias. Wenn ich hier
leben würde, dann hätte ich eher die Nase voll von den Turisten (also wir
schnöden hie und da über sie, dabei sind wir ja selber auch). Jeder einzelne
Turi ist sicher nett, jeder hat das Recht hier Ferien zu machen. Es sind
einfach sehr viele (ich bin einer von dieser Masse). Da krieg' ich den Dichtestress. Es ist erstaunlich, dass –
wie ich annehme - hier residierende Engländer oder Deutsche, oft nicht spanisch
sprechen, in den Läden, in den Restaurants. Ist das kulturelle Überheblichkeit,
geistige Trägheit …? Jedenfalls die kanarischen Hotelangestellten, die
Busfahrer die Leute in den Läden … sie sind sehr lieb und aufmerksam. Und für
mich gibt es nur eines: besonders freundlich zu sein hier, als kleines
Gegengewicht.
Um die Mittagszeit bin ich zurück im Apartamento. Margrit
schreibt gerade Ansichtskarten und informiert sich im Internet, was La Palma so
zu bieten hat. Denn wir reisen mit rollender Planung. Auch ich schreibe etwas
auf eine Geburtstagskarte für Elin, möglichst exakt, denn vielleicht kann sie
es schon selber lesen.
Ich lerne täglich wenn möglich etwas spanisch, doch heute
entscheide ich mich, diesen Text zu schreiben. Das dauert, denn schreiben geht bei mir nicht so schnell. Der deutsche Hausbesitzer kommt
vorbei zu einem Smalltalk. Er gibt uns einige Reisetipps und zeigt uns noch das
Haus nebenan, das er gerade renoviert, um es danach auch an Turisten zu
vermieten. Mit kanarischen Menschen hatten wir bisher noch wenig Kontakt ausser
den alltäglichen Begegnungen. Schade! Das liegt sicher daran, dass wir zu wenig
spanisch können. Ein anderer Grund ist auch, dass wir als Paar eine eher
geschlossene Einheit bilden und insofern etwas weniger offen sind, als wenn man
allein reist. Aber vielleicht ergibt sich noch was …
So wird es Nachmittag und Zeit etwas Kleines zu Essen und
danach eine kürzere oder längere Siesta einzuschalten. Siesta, weil man soll
sich den Gepflogenheiten des fremden Ortes anpassen, oder?
Meist um vier Uhr meldet sich der Tatendrang wieder. Man
radelt weiter oder macht eine längere Wanderung. Auf dieser Insel hat es sehr
schöne Wanderwege. Man nimmt das Guagua (den Bus) und – schwupps - ist man in
der üppigen Natur der „Isla bonita“, der schönen, grünen Insel. Heute gehen wir
in die Stadt, wo wir einiges erledigen und organisieren müssen, zum Beispiel Tickets
kaufen für ein Konzert der „Arizona Baby“ am Samstag. Die Stadt ist sehr
sehenswert mit den alten, farbigen, originellen Häusern mit ihren Holzlauben.
Sehr schöne, alte Holzarbeiten an Fenstern und Türen. Gutes Handwerk. Das
Erstehen eines Haartönungsmittels in einer Parapharmacia mit unserem
radebrechenden Spanisch ist lustig – auch für die Verkäuferin. Tatsächlich
zeigt sich auch die Sonne zwischen den Wolken und wir gehen an den Strand,
statt ins Museum, plaudern, lesen, spielen Raqueta (Strandball). Letzteres
gelingt hart am Wind nicht so recht und als dann Kehrichtcontainer umfallen und
Hundekacke rumrollt, geben wir auf und gehen in die Stadt – so wie alle
Normalturisten –schoppen. Die Verkäuferin im Sportgeschäft, wo ich nach neuen
Hosen suche, ist Deutsche.
Gegen 7 oder 8 Uhr sind wir wieder zurück in unserem
Häuschen. Wir haben Lenguado (Seezunge) für’s Abendessen eingekauft. Selber
kochen schätzen wir sehr. Man isst in den Bars und Restaurants zwar sehr gut,
aber gleichwohl hat man nach einiger Zeit genug davon, weil vieles oft
frittiert ist, was mir schnell zum Hals raushängt, oder es ist zu fade oder zu
sehr oder zu wenig gekocht … ich glaube, das geht allen so. Die beiden
Seezungen sind so gross, dass sie aus der Bratpfanne rausschauen. Dazu gibt’s
Salat und Bier. Buen provechio! Es schmeckt!
Wenn man so Zeit hat, vergeht die Zeit unglaublich schnell.
Wir verschwenden hier Quanten von Zeit. Gerade in den Ferien zeigt sich, wie
unperfekt die Schöpfung ist, zum Beispiel der Tag nicht mindestens 33 Stunden
hat. Warum kann sich die Erde nicht etwas langsamer drehen, in den Ferien
zumindest? Jetzt geht es schon gegen 10 Uhr. Wir können uns gar nicht mehr
vorstellen, wie das Leben ist, wenn wir noch 8 Stunden arbeiten müssen, dazu 2
Stunden Arbeitsweg, dazu die Haushaltarbeiten, einkaufen, Familie, Garten,
Freizeit, etc. all das addiert sich ja immer. Unglaublich! Man sagt immer, es
sei schwierig Beruf und Familie zu vereinbaren. Vereinbaren? Das ganze ist doch
eine unendliche Addition: Arbeiten plus Haushalt plus Rechnungen zahlen plus
Steuererklärung plus putzen plus Zeit für den Partner ... Ja, Zeit für den
Partner, das bleibt oft auf der Strecke im Leben B, beim Partner kann man Zeit
einsparen. Oft ist man auch zu müde für diese „Nebensächlichkeit“, oder man ist
gereizt und man sieht nur, was der Partner nicht gemacht hat, was man von ihm
erwartet hatte. Was? Der hat auch noch Ansprüche? Wo ich doch nur ein bisschen
Ruhe bräuchte! Wie der alttägliche Alltag alle Tage tagelang unsere Beziehung belastet!
Diese Verpflichtungen, diese Programmabspulerei! Die lange Auszeit hier tut
unsere Beziehung gut, weil man hat etwas vom wichtigsten in einer Beziehung:
Zeit. Zeit zu besprechen und Zeit zuzuhören, Zeit um den Tag so zu gestalten,
dass er gut wird. Das ist vielleicht das schönste an den Ferien, nebst all den
Menschen und den Dingen, die man kennenlernt: die Distanz von zuhause, damit
wir aus dem Alltagsfahrwasser raus sind und Zeit haben.
Der Abend klingt dann irgendwie aus, mal mit dem Abhören gepodcasteter
Radiosendungen aus der Heimat, mal mit Fotos bearbeiten, mal etwas am Reiseblog
schreiben, mit reden, oder einfach nur übers Meer schauen und anderen Dingen je
nach Lust und Müdigkeit.
So geht das etwa. Esta es!
Bist du enttäuscht? Hast du mehr erwartet? Das gibt es
natürlich auch, diese fulminanten Tage, aber so einen wollte ich nicht
beschreiben, sondern einen gewöhnlichen Tag. Diese Tage sind gute Tage, denn
weniger ist mehr. Das Abenteuer findet sowieso nur im Kopf statt. Felicidad y
satisfaction sollte nicht (nur) von äusserlichen Dingen abhängen.