Donnerstag, 27. Januar 2011

All-ein sein 2

Freiheit und Selbstbestimmung sind Grundwerte unserer Kultur. Alle wollen das. Doch Freiheit ist schwer zu ertragen. Uns ist es oft wohl in Abhaengigkeit und Grenzen.
Frei sein heisst auch allein sein koennen. Allein sein heisst, mit sich selber gluecklich sein koennen, sich loesen vom geliebten Umfeld zuhause. Ich bin frei, habe keine Verpflichtungen, keine Rollen, die ich zu erfuellen habe, kann eigenen Beduerfnissen nachgehen, bewusste und unbewusste Ziele ansteuern, die ich jetzt mit niemandem mehr ausformulieren, diskutieren und vereinbaren muss. Ich habe nur noch mich selbst. Ich hoffe nicht auf etwas, das mich erfreut, ich bin mir alles selber. Sich selbst genuegen heisst auch, nicht auf der Suche sein nach irgend etwas, sonst wuerde ich ja die Gegenwart als mangelhaft verspueren. Ich habe alles, ich bin frei, gesund und das Glueck, das finde ich nicht in der Ferne und nicht zu Hause, sondern nur in mir selbst, oder es ist nicht.
Im Nachhinein erschein mir erstaunlich, wie gewissenhaft ich mich auf die Reise vorbereitete, medizinische Aspekte, Bekleidung, Velo, Essen und wie wenig ich mich vorbereitete auf ein Leben ohne dessen, was mir bisher wichtig war: Heimat, Zuhause, Familie, Freunde ... und mich kaum fragte: Wie werde ich leben koennen ohne meinen bisherigen Lebensmittelpunkt? Darauf vertrauen, dass man genuegend Ersatz findet? Einen besseren Mittelpunkt finden wird? Den Mittelpunkt in sich selber finden?
Diese Fragen stellte ich einigen Reisenden (nicht Erholungstouristen). Die meisten weichen dieser Frage/sich selber aus, indem sie sich Reiseziele setzen: 150 km pro Tag mit dem Velo, die 5 schoensten Reisezziele des Landes besuchen etc. Das scheinen mir Beschaeftigungen, die von der Frage nach dem Glueck ablenken.
Andere scheinen ihr nicht mitreisendes Glueck aeusseren Umstaenden anzulasten. Sie geben das fremde Land und die fremden Menschen schuld an ihrem fehlenden Glueck und sind unfair und zynisch in ihren Reisebeschreibungen.
Und ich lernte Leute kennen, die ihren Mittelpunkt verloren haben, und schon laenger unterwegs sind auf der Suche nach einem neuen Bezugsfeld, hoffen, dass sich etwas ergibt.
Ich selber moechte nicht einfach wegschauen, eine Krise mit mir selbst nicht mit Reiseaktionismus und fluechtigen Hotelbekanntschaften und Smalltalks ueberdecken. Dieses dumpfe Unbehagen mit mir selber nicht verdraengen, an sich glauben, stark genug zu sein, auch wenn die, die einem Geborgenheit und Selbstvertrauen geben, weit weg sind. Jetzt muss ich mir selber Geborgenheit und Selbstvertrauen geben, ja, das moechte ich koennen. Zuhause ist das leicht, und hier ist es die grosse Herausforderung.