Donnerstag, 27. Januar 2011

Vom Tobase der Westkueste entlang nach Banda Aceh

KW 4: Reisenotizen Sumatra Westküste
20.1.: Silimalombu- Sidikalang, 135 km. 1000 Höhenmeter vo danau toba nach tele. Dann 50 km geruhsame abfahrt. Habe ein delux-zimmer genommen, ist aber gleichwoh armselig. Und das essen (fras?) ist 3. (Welt)qualität in einer baracke. Am tv ein kampffilm, nebenan dröhnt ne disco mit sexgewerbe. Aber es macht mir nix mehr aus, weil habe mir abgewöhnt, etwas zu erwarten, sehe sogar das schöne im tristen, freundliche menschen und wie sie sich mühe geben aus fast nichts etwas kultur rauszuholen.

21.1.: Sidikalang-Bakungan. Heut 165 km nach bankogan, dh. viel zu viel in schwülen 28 grad. zuerst 50 km den pass runter und dann 60 km hügelfahrt vom gröbsten: 15 min rauf, 2 min runter,zum verzweifeln in der hitze, stundenlang. Auf der strecke war i die attraktion des tages mit immer wieder "hello mister" oder "Poule" was so viel heisst wie westler. Am schluss mit bekannter showeinlage beim hotelsuchen: Da willst du nicht eigentlich uebernachten. Aber jetz bini gut aufgehoben.

22.1: Bakungan-Tapaktuan 65 km mit teils traumhafter strasse am meer & palmen mit baden im indischen ozean und wasserfall aus regenwald. ganzer tag sonne u heiss. jetzt hotel direkt am lauten meer. alternative war hotel an lauter strasse. niemand spricht engl. keine gäste, essen dürftig, weiss der teufel, wer die schönen fische isst. dafür gute fruchtdrinks.

23.1.: Tapaktuan-Susoh, 80 km. hab grad nasi goreng verspiesen, das fleisch war kaninchenartig, i glaub es war ne katze. naja, jedenfalls ne abwechslung zu reis & fisch oder fisch & reis. heut nami am strand von ner familie zum essen eingeladen bei geringer verständigung. ich bin hier einfach morgen bis abend die hauptattraktion: alle jahrzehnte ist hier ein turist zu sehen. man ruft & kreischt & lacht, wenn i komme. mopedfahrer bremsen ab, fahren ne zeitlang neben mir, starren mi an u wollen mit mir sprechen. Manchmal kann ich anhaengen und sie ziehen mich einen huegel rauf. wenn i anhalte sind bald mal 10-20 leute um mi und zuecken ihr Handi fuer fotosession. küstenfahrt war teils traum- & teils albtraumhaft. schlafe heut am strand bei fischern, resp. deren jungen, die mein alter nid stört. es ist ziemli grusig, aber lieber als einsam im ein hotelzimmer eingesperrt. i hab probleme in der nacht, allein in nem betonklotz von zimmer. Lieber erfroren am Stacheldraht eines sibirischen GULAG haengen, als in einem dieser dueppigen, depressivmachenden Hotelszimmer eine Nacht pfusen (ok, ich weiss, dass ich waehlerisch-elitaer bin).

24.1.: ‎Meulaboh-Calang, 105 km. Letze nacht schiffte es aus tropischen kübeln soviel wie bei uns in nem jahr. War unter einem wellblechdach u konnte nur wenig schlafen, weil's so laut war. bi heut mit bus nach M gefahren u vo dort geradelt, leider erst ab 13.00 so dass i sehr mit der sonne u hitze zu kämpfen hatte. Glaubte hier bungalows anzutreffen, doch die wurden seit dem tsunami nid wieder aufgebaut. Schliesslich hats ou keine touris. Jetz schlaf i auf der terrasse von Jan, der von ner NGO ein haus erhalten hat. Bi müde!

25.1.: Calang-Lhoong, 90 km. ca 50 km vor Banda Aceh. sehr schöne küstenstrasse, wenig verkehr, staubig. Erwartet habe ich "new road",  aber es war "make new road", also piste mit baustellen. Palmenstrände stark von tsunami zerstört, man sieht nur noch strünke, kein schatten heisst, zu heiss am strand. Schlafe hinter einer einsamen beiz. Kein strom nur alte leute, aber besser als hotel oder dorf, weil sonst umzingelt dich die dorfjugend. Bin müde.

26.1.: Lamno-Pulau Weh/Sabang/Pantai Iboih, 75 km. Gute küstentrasse mit 3 kleinen Pässen. Mein glück: bewölkter himmel. dann kremierende hitze in banda aceh, niemand spricht englisch, nicht mal "mana turist office" (= wo ist ...) verstanden sie, weil sie nicht wussten, was ein Turist Office war. Fühlte mich verloren. Da sah ich ein reisebüro, u tatsächlich konnte mir dort einer ein paar infos geben. Es gibt einige tsunami monumente: ein schiff 7 km von der küste entfernt auf einem hausdach gelandet, tsunami-museum, fotoausstellung  u.a. Die stadt ist wieder aufgebaut durch UNO und NGO's. Jetzt auf der insel Weh zur erholung und tauchen. Es soll hier eines der schönsten korallenriffe geben. Mal sehen, hier bin ich der orang putih sepeda (weisser velofahrender mensch).

27.1.: Pulau Weh 1, strand u meer sind ansprechend, doch regentag, hab mit Mirko, nem polen, ein bruchbudenbungalow gemietet für je 3 Fr, ausser kurz schnorcheln nichts getan, hat sehr schöne fische. Hat etliche turis hier und so ging der tag um mit herumhängen, es laeuft hier wenig.

28.1.: ‎Pulau Weh 2. heut war faulenzertag 2. Wetter war etwas besser. ein bisschen geblogt, geschwommen, geschnorchelt, gesprochen, geyogat ... und der tag war um. beim tauchen ist's, als wärst du in einem aquarium mit wunderlichten fantasievollsten fischen.


Vom Palmenbauer zur Kokosmilchpause eingeladen

Pause vom Radeln im Strandhaeuschen

Meine neue Kopfbedeckung gegen moerderische Sonnenstrahlen
Vor dem Tsunami Palmenstrand, jetzt nur noch Struenke

Viele Fluesse aus dem Regenwald

Der Strasse von Subulussalam nach Krienglieck muss ich ein paar Zeilen widmen. Waere die Strasse in der Ebene, waere sie wohl oft ueberschwemmt, Verliefe sie den Huegeln entlang, drohten wohl Erdrutsche. Deshalb geht sie ueber alle Huegel dieser Gegend. Wer also gerne Huegel faehrt, Pfunde abstrampeln moechte oder sonstwie masochistisch veranlagt ist, dem empfehle ich diese Route per Rad. Leicht erschwerend kommt die schwuele 28 Grad C Hitze dazu und dass einige Huegel so steil sind, dass sie nicht zu fahren sind, sondern zu schieben - das Velo meine ich. Aber ansonsten ein Intervalltraining vom feinsten: 15 Min. rauf, 2 Min. runter und das ueber ein paar Stunden. Dazu die Dorfjugend, die an die Strasse springt und "Hello Mister!" und "How are you" und "Bule" schreit, was so toent wie Poulet, und so viel wie Fremder heisst. Auch Erwachsene jubeln, als waerest du bei einem Velorennen, zuecken ihr Handy und schiessen Fotos. Du bist die Attraktion des Jahres, sie lachen (ab den blutten Beinen). Bei jedem Halt bist du umzingelt von Jungen und Alten. Habe selten so viel Aufmerksamkeit erhalten.
Nachtunterhaltung bei den Fischern
Immer wieder: sehr schoene Palmenkueste, doch oberhalb von Meulaboh steht kaum mehr eine Palme
Wasserfall aus dem Regenwald
Die uebrigen 5 Kinder mussten zuhause bleiben
Alltaeglich und ueberall
Baecker

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Haehnchen alle verkauft


Markttag




Schwierig, den Doerfern und Staedten Aesthetik abzugewinnen, alles scheint so armeselig, nicht gepflegt. Aber das hiesige Auge ist wohl anders eingestellt und freut sich an einem neu gestrichenen Blechdach, das fuer mein Auge noch immer haesslich ist, oder an einem Blumentopf in einem wenig schoenen Eimer (sonst haette man ihn ja noch benutzt. Was fotogrfiere ich? Eher das fuer mein Auge aussergewoehnliche, exotische. So wollte Ratna einmal wissen, warum ich eine Frau mit einem Baumstamm auf dem Kopf foetele? Fuer sie war das unverstaendlich. Und sie fotografieren mich, ein weisser Mensch: seltsam; auf dem Fahrrad: unverstaendlich.

Zuckerrohrsaft am Strassenrand
Wo immer ich anhielt: Hauptattraktion und Fotosession mit einheimischen Handys

Hiesige Benzintankstelle
Aufbruch der Fischer


Fahrt im Minibus
9.00: Ich wurde vom Minibus abgeholt, Velo auf dem Dach festgebunden. Feilschen um Fahrpreis. Meine Fischerfreude, bei denen ich uebernachtete halfen mir: Fahrpreis 5 Fr. fuer 120 km.
9.05 stieg eine Frau zu fuer 2 km.
9.10: Stopp fuer Fruestueck des Fahrers.
9.30: 1 Paket abgeholt
9.30-10.30: Fahrt durch Seitenstrassen, Leute abgeholt vor der Haustuere, bis der Bus voll war
10.30-12.00: Fahrt nach Meulabo, 120 km mit viel Gehupe und Ueberholmanoevern.
12.00-13.00: Leute individuell vor die Haustuere gebracht, Wenn der Fahrer zu spaet anhielt, musste er rueckwaerts fahren oder wenden.
13.00: Der Fahrer brachte mich an die Kreuzung Richtung Bandah Aceh.
Fahrer und Copilot. Zudem musst du dir vorstellen: Laute Musik und nach vorne gibt's nur einen kleinen Sehschlitz wegen Sonne



Unwohl im Paradies
Die eine Projektion ist ja bekanntlich, dass man sich in der Ferne eine wunderbare, freie Welt vorstellt, jenseits von Alltagslasten und -verpflichtungen. Die Ferne verspricht Flucht aus dem Trott, aus Verpflichtungen, Alltagsnoeten, Konflikten Abstumpfungen, Langeweile und erscheint uns als das Gegenteil davon, ein Tor zur Freiheit, Inspiration und erfuelltem Leben.
Die Realitaet entspricht aber nicht dem Vorgestellten. Mein Koerper muss sich umstellen auf Temperaturen. Alles ist ganz anders hier: Menschen, Sprache (kaum jemand spricht englisch), Kultur, Umwelt. Und ich weiss nicht wie mir die Menschen gesinnt sind, welche Gefahren auf der Strasse, in der Natur, beim Baden, beim Schlafen, beim Essen, bei allem, was ich tu und lasse, lauern. Wenig ist mir bekannt, das meiste unbekannt, keine Strassenschilder, und wenn ich ein Schild sehe, verstehe ich die Information nicht. die Karte sagt mir auch nicht besonders viel, was mich erwartet. Oftmals fuehle ich mich ein gut Stueck gelaehmt von der Beklemmung gegenueber dem Unbekannten, was alles geschehen koennte.

Warum diese Angst? Es ist nicht gefaehrlich. Nein, die Menschen sind lieb und hilfsbereit, koennte ich nur ihre Sprache. Ich bin nicht verloren, nicht von Gefahren umzingelt. Was ist es, das dieses Unbehaben, diese Furcht hervorbringt? Warum diese Angst? Es kann ja nicht das sein, was hier ist, denn das ist mir unbekannt. Ich projiziere wohl eher in diese Leere alle meine unguten Gefuehle, schlechten Erlebnisse, erlebte Gefahren und Schrecken. Was vor mir liegt und Angst macht, ist aufgefuellt mit MEINER Vergangenheit. Das Unbekannte dieses Landes ist also mir Bekanntes.
So muss ich auf meiner Reise zuerst mich ueberwinden, um neue Erfahrungen zu machen, um mich vom Neuen dieses Landes beleben zu lassen. Die Angst vor dem Unbekannten verhindert den forschen Schritt ins Unbekannte, in die Freiheit. Ich ducke mich, ich gehe Sicherheitskompromisse ein, suche Situationen wie zu Hause, und kann mich so nicht dem Neuen stellen. Ich bin nicht frei, denn immer hoere ich das Gequatsche meines Denkens "Achtung, 1000 Gefahren", zu Hause waer's schoener, einfacher, sicherer. Ich bin ein Gefangener meiner Projektionen, die ich hinter mir lassen muss, um mich dem Neuen und meiner Freiheit zu erfreuen. Das dauert seine Zeit, braucht Ueberwindung um Schutzwaelle abzubauen, um sich in das Leben zu begeben, das sich um mich herum abspielt. Endlich die Augen oeffnen, den Blick auf's neue wagen, dem Neuen entgegentreten, Sprache lernen, ...


Banda Aceh: Dieses Schiff wurde 2004 vomTsunami 6 km in dieStadt hinein gespuelt und landete auf einem Haus.Die Passagiere ueberlebten. (heute Museum)


Dieses tonnenschwere Elektrizitaetsschiff wurde vom Tsunami 4 km in die Stadt hineingespuelt (heute Museum)

Mit diesem Becak (Motortaxi) machte ich samt Velo eine Stadtrundfahrt in B. Aceh und anschliessend 20 km zum Flugplatz (10 Fr.)