Samstag, 19. März 2011

Reisen zu Zweit

Im Sikh-Tempel, Bangkok

Reisen alleine war schwierig, aber wichtig fuer mich. Nun reise ich seit zwei Monaten mit Edu. Was heisst das?
Edu und ich haben diese Reise miteinander vereinbart, weil wir uns seit Jahrzehnten kennen und sicher sind, dass wir gegenseitig voneinader profitieren koennen. Wir kennen auch die guten und die schwierigen Seiten des anderen. Beide wollen wir einander gute Reisebegleiter sein.
Wie laeuft diese Reise zu zweit?
Die Zweierkiste laeuft gut. Wir kommmunizieren was wir sehen, wie wir dies und das deuten, reflektieren ueber unsere Vergangenheit und Zukunft, wir sind achtsam gegeneinander, denken und fuehlen mit, wenn der andere sich aeussert. Die ganze Komfortzone, die man zuhause und mit Freunden und Verwandten pflegt, findet man im Reisegespan. Wir helfen einander durch diese unbekannte Welt, erleichtern uns gegenseitig das Reisen, geben einander Sicherheit, insbesondere wenn jemand von uns Unfall haette oder krank wuerde, was bisher zum Glueck noch nicht geschehen ist. Kurz: das Reisen zu zeit wuppt.
Wertvoll ist auch, zu beobachten, wie Edu in verschiedenen Situationen in dieser fremden Welt reagiert. Damit erweitere ich mein eigenes Sortiment, mich in eine bekannte
oder unbekannte Welt einzufuegen oder zu behaupten.
Aber zum Reisen zu zweit gehoeren auch die Schwierigkeiten zu zweit. Es gibt auch "schlechte" Momente.
Reisen ist spannend, hat aber auch nervige Momente, die die Zweierkiste belasten. Mal ist der eine belastet, hat schlecht geschlafen, mal der andere. Es entsteht Beziehungsstress wegen aeusserem Stress. Das kann schon mal dicke Luft geben.
Dann sind wir auch zwei unterschiedliche Menschen, mit je 60 Jahren anderen Erfahrungen, Ueberzeugungen, anderem Verhalten etc. Das passt manchmal nicht besonders gut zueinander und man nervt sich gegenseitig. 


Was soll man da machen? Sich aussprechen? Merkt das der andere nicht und zieht seine Schluesse fuer das naechste Mal? Gibt es nicht auch Gruende, nicht darueber zu sprechen, wenn man sich auf die Nerven geht? Bis zu welchem Detail soll man darueber sprechen?
Was mich an Edu stoert ist doch mein Problem! Ich habe tausend Moeglichkeiten zu reagieren, warum reagiere ich genervt? Wenn mich etwas an Edu stoert, ist das MEIN Problem. Und daraus entsteht DIE Gelegenheit fuer mich, mich zu hinterfragen, also genau das, was ich auf dieser Asienreise moechte: reflektieren ueber mein Verhalten und mein Leben. Mich besser kennenlernen, indem ich merke, was meinen Begleiter an mir nervt, mich kennenlernen, wo ich positive und unproduktive Beitraege in einer Beziehung leiste, wo ich bereichernd und wo ich muehsam bin, meinen Macken, meine Moedeli und Paradigmen und wie sie wirken. Das will ich: Mich kennen lernen in schwierigen Situationen! ein persoenliches Asien-Assessment durchfuehren! mich hinterfragen! wie anpassungsfaehig und tolerant bin ich? wo sind meine toten Hunde begraben? wie anpassungsfaehig bin ich? - meine Muster ueberdenken und eventuell veraendern.
Insofern bieten gerade die schwierigen Situationen zwischen Edu und mir seltene Chancen, sich in der Teamfaehigkeit und dem Menschsein und in der eigenen Sozialkompetenz zu spiegeln am anderen. Und das heisst also: die "schlechten" Momente zwischen Edu und mir sind eigentlich die wichtigen und wertvollen Momente. Es sind die Stoerungen, die ich hier und jetzt suche. Wenn es mir nur gelingt ueber meine Schatten zu springen.